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Just play! Jürgen Melzer: „ITN wird das Leben wohl nicht entscheidend verändern“

Teil 1 der ÖTV-Interviewreihe: Jürgen Melzer spricht über ITN und die eigentlichen Prioritäten im (Tennis-)Leben.
Verfasst von: Manuel Wachta, 04.04.2023
© | GEPA pictures/ Armin Rauthner
Jürgen Melzer

Wohl kaum ein Thema wird besonders im Breitensport im Tennis intensiver und teilweise hitziger diskutiert als die mitunter polarisierende ITN-Thematik (der Spielstärkenmesser „International Tennis Number“, der etwa zur Setzung bei nationalen Turnieren oder zur Aufstellung in der Meisterschaft verwendet wird; genauere Informationen dazu gibt es hier). Oftmals gerät hierbei in Vergessenheit oder aus dem Fokus, weshalb wir alle den Tennissport betreiben (sollten) und lieben: aus gesundheitlichen Gründen, aus Spaß und Freude am Wettkampf, wegen des sozialen Faktors und der Geselligkeit etc.

Mit einer neuen Interviewserie möchte der ÖTV diese (ge)wichtigen Argumente wieder in den Vordergrund rücken und die TennisspielerInnen im Lande ermutigen, ohne Angst vor einer Verschlechterung des Spielstärkewerts und zu vielen Gedanken an den ITN wieder verstärkt den Tennisplatz zu betreten – gerade jetzt zu Saisonbeginn. Im ersten Teil der Serie namens „Just play!“ erklärt der ÖTV-Sportdirektor und -Davis-Cup-Kapitän Jürgen Melzer, warum ITN für ihn persönlich sogar null Bedeutung hat und warum die Thematik für ihn eine reine Einstellungssache ist.

Jürgen, wie viel von deiner Arbeitszeit ist seit dem Beginn deiner Tätigkeit als ÖTV-Sportdirektor im Jänner 2021 in das Thema ITN reingeflossen?

Jürgen Melzer: Definitiv einige Stunden. Immer wieder geht’s dabei um Verbesserungen. Ich verstehe auch, dass es für die Leute wichtig ist, so wie das Handicap im Golf.

Der ÖTV macht sich permanent Gedanken über ITN, um Verbesserungen einzuführen, um SpielerInnen zum Spielen zu motivieren. Warum, denkst du, dass die Bemühungen noch nicht ganz in den Köpfen vieler SpielerInnen angekommen sind und die Ängste vor einer ITN-Verschlechterung immer noch so weitverbreitet und allgegenwärtig sind?

Ich kann leider nicht in die Köpfe der Leute hineinschauen. Ich kann nur appellieren, zu sehen, dass es wichtigere Dinge im Leben gibt – auch im Tennis. Zum Beispiel bei einem Turnier zu sein, sich einer neuen Herausforderung zu stellen, das ist doch was Schönes. Persönlich bin ich da zu weit weg davon, so denken zu können, dass ich etwas vielleicht nicht mache – zum Beispiel ein Turnier zu spielen –, um mich nicht zu verschlechtern.

Was sind deine eigenen Erfahrungen mit ITN? Welche Bedeutung und Aussagekraft hat es für dich?

Wenn man wie ich aus dem Spitzensport kommt, ist es so, dass ich nie schauen würde, was mein ITN gerade ist. Weil es für mich nicht wichtig ist und ich eh weiß, dass ich gut spielen kann. Und ich verstehe auch, dass mein ITN nicht derselbe sein kann wie 2010 – und das ist auch gut so, weil ich’s nicht mehr so gut kann wie 2010. Für mich persönlich hat ITN null Bedeutung.

Und wie erlebst du die Bedeutung und Aussagekraft bei manchen anderen Leuten? Wie äußert sich das z. B. bei Turnieren, bei Anfragen an die ÖTV-Sportabteilung, …?

Man merkt es immer wieder bei anderen, bei Verwandten, Freunden oder Bekannten, die etwa sagen: „Der ITN stimmt nicht immer überein. Gibt’s da nicht bessere Systeme?“ Es gibt da definitiv immer Diskussionspunkte. Ich kann dazu sagen: Wir tun alles, um ITN so wahrheitsgetreu und nah zur Spielstärkenrealität wie möglich auszuarbeiten. Ich bin mir dessen bewusst, dass wir als Verband genau darauf schauen müssen, dass das System gut funktioniert und die Spielstärkewerte nahe zur Realität sind. Sonst macht es keinen Sinn. Ich glaube auch, dass wir mit den jüngsten Veränderungen in die richtige Richtung gehen und es dadurch noch besser wird. Man muss auch alles laufend weiterentwickeln. Aber die ITN-Thematik sollte einen nie am Spielen hindern. Wenn ich höre, dass Leute ein Turnier nicht spielen, um sich nicht im ITN zu verschlechtern, frage ich mich: Spielen die eigentlich gern Tennis? Wenn ich etwas gerne mache, dann soll ich spielen. Natürlich ist Ehrgeiz gut, aber es bleibt immer noch ein Spiel.

Als Profi, der damals um Preisgeld und Punkte gespielt hat, denkt man naturgemäß sehr ergebnisorientiert. Worin siehst du die Probleme, dieses Denken 1:1 vom Profi- auf den Hobbybereich zu übertragen?

Klar, als Profi ist es extrem wichtig, zu gewinnen. Aber hin und wieder, wenn man gerade an etwas arbeitet und trotzdem ein Turnier spielt, nimmt man auch mal eine Niederlage in Kauf, um Schritt für Schritt besser zu werden und möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt dann Erfolg zu haben. Doch im Hobbybereich finde ich, dass der Spaß am Spiel im Vordergrund stehen sollte, sich in der Freizeit messen zu können. Und wenn man mal Dinge probiert, diese darauf ins Match umzusetzen. Klar geht es auch darum, einen Weg zu finden, um zu gewinnen, natürlich verliert keiner gerne ein Match – man will ja immer gewinnen. Ich weiß nur nicht, ob man wirklich wegen ITN gewinnen sollte oder nicht eher einfach, weil es ein gutes, schönes Gefühl ist.

Gibt es nicht auch verdammt viele Gründe abseits des ITN, um Tennis zu spielen?

Natürlich! Zum einen ist sportliche Betätigung gesund. Dann gibt’s da auch den sozialen Faktor: Man kommt mit Freunden zusammen, hat eine Gaude miteinander. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen.

Wie, denkst du, kann auch der Ottonormalverbraucher lernen, mit der ITN-Thematik und den Sorgen besser umzugehen? Ist das nur Einstellungssache?

Für mich ja. Ich denke, jeder Hobbysportler, der irgendwas anderes in seinem Leben hat, das wichtiger ist, sei es nun die Arbeit oder die eigene Familie: Da sollte man die Kirche im Dorf lassen. Ob man nun ITN 5,9 oder 6,2 hat oder 3,5 oder 3,7 – das wird das Leben wahrscheinlich nicht entscheidend verändern und ist wohl nicht ganz so wichtig. Gerade im Breitensport sollte der Sport, der Spaß am Tennisspielen, im Vordergrund stehen.

Am 1. April ist in den meisten Tennisklubs der offizielle Saisonstart erfolgt. Gibt es eine Botschaft, die du den TennisspielerInnen da draußen für diese Tage mitgeben willst?

Geht’s einfach raus und spielt’s! Wir sind ja jetzt lang genug im Kalten und in den Hallen gesessen. Genießt die Sonne, nehmt euch eure TennispartnerInnen und habt Spaß im Freien.

Wie groß ist deine persönliche Vorfreude auf die Freiluftsaison? Knappe sieben Wochen sind es noch bis zum Auftakt der IMMOunited Bundesliga presented by win2day. Hast du wieder Auftritte geplant?

Ich bin wieder bei ATV RE team future Irdning genannt und werde sicher wieder das eine oder andere Match spielen. Der 1. April war meine Deadline, um damit zu beginnen, mich für die Bundesliga konkurrenzfähig zu machen. Ich werde jetzt also sicherlich wieder ein bisschen öfter spielen. Ich freue mich schon darauf.

© | GEPA pictures/ Armin Rauthner
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