1. ITF-Titel mit 13 Jahren: Historische Sternstunde von Pircher in Wien
Sie genießt den Ruf, Österreichs derzeit wohl klar größte Tennis-Nachwuchshoffnung zu sein. Ein Ruf, dem sie dieser Tage wieder voll und ganz gerecht geworden ist. Denn Anna Pircher hat am Samstag im Alter von erst 13 und bald 14 Jahren gar schon ihren ersten internationalen U18-Turniersieg gefeiert. Die zweitgereihte Tirolerin (ITF 645) entschied beim ITF-J30-Sandplatzevent beim Colony Club in Wien das Finalspiel der Topgesetzten gegen die Südkoreanerin Ha Eum Lee (ITF 551) mit 6:4, 6:4 für sich. Hiermit wird sie sich in der Jugendweltrangliste am Montag um knappe 100 Positionen verbessern, auf einen Platz um 550. Lee unterlag übrigens auch beim Doppelfinale mit Landsfrau Hyunyee Lee den an fünf gesetzten Anja Casari (Italien) und Zuzana Kudlackova (Tschechien) 4:6, 1:6. Bei den Burschen klappte es indes nicht mit dem erhofften Heimsieg im Einzel: Auch der an zwei geführte Burgenländer Alexander Gschiel (ITF 567) konnte den toppositionierten Südafrikaner John Bothma (ITF 440) nicht stoppen und unterlag im Finale 5:7, 5:7. Dafür ging der Doppelpokal ans Veranstalterland: Die achtgesetzten Tiroler Simon Gruber und Peter Kieslinger holten durch ein 6:4, 6:4 im Endspiel über die sechstgereihten Slowenen Marko Retelj und Lasse Zajc Gajsek ihren jeweils ersten ITF-Doppeltitel.
„Anna hat im Finale ihre stärkste Leistung gebracht“
Doch die Aufmerksamkeit galt an diesem Tag natürlich vorwiegend Pircher, die bei ihrem erst siebten Start auf der ITF Junior Tour erstmalig zuschlug. Schon im Vorjahr hatte sie in Maribor ein erstes ITF-J60-Semifinale erreicht, im 14. Wiener Gemeindebezirk machte sie nunmehr auch die letzten Schritte zum beachtlichen Premierenerfolg. Der Schützling von Hannes König blieb in allen sechs Einzelspielen ohne Satzverlust, gab bei keinem der zwölf Sätze mehr als vier Games her und kam in Summe auf eine starke Gamebilanz von 72:26. Von ihrem Trainer und Manager in Personalunion streifte sie dafür verdientes Lob ein: „Sie hat sehr konstant gespielt, ihre Aufgaben gelöst so wie diese gekommen sind – und es waren doch schwierige Verhältnisse diese Woche, mit feuchten Böden und kalten Temperaturen“, schilderte König. „Vor allem im Viertelfinale hat es ihr die Gegnerin recht schwer gemacht. Ihre Finalgegnerin hat bis dorthin auch ein super Turnier gespielt. Aber Anna hat im Finale ihre stärkste Leistung gebracht, ein wirklich starkes Match gespielt.“ Im zweiten Satz drehte Pircher außerdem einen 2:4- und 0:40-Rückstand, „ab da hat sie wieder richtig gut gespielt.“ Und so klappte es also mit Pirchers historischer Sternstunde – die diese Bezeichnung zurecht trägt, genießt ein derartiger Coup eines rot-weiß-roten Nachwuchstalents doch absoluten Seltenheitswert.
Jüngste österreichische ITF-Turniersiegerin seit Haas 2010
Vergleichbare Erfolge bei ITF-Jugendturnieren in solch einem jungen Alter hatten in den letzten zwei Jahrzehnten bei den Mädels nur eine Handvoll Österreicherinnen geschafft, etwa in chronologischer Reihenfolge Tamira Paszek, Melanie Klaffner, Nikola Hofmanova sowie Barbara Haas, Julia Grabher und Anna-Maria Heil. Paszek verbuchte im Dezember 2003 um ihren 13. Geburtstag beim zweiten und dritten ITF-Turnierantritt nacheinander jeweils in Kenia ein erstes Semifinale und Endspiel. Zwar triumphierte die Vorarlbergerin erst im April 2005 erstmalig auf dieser Ebene, doch im September 2006 war in Portoroz bereits der erste WTA-Titel gefolgt. Klaffner hatte noch im selben Monat wie Paszek mit 13 Jahren und sieben Monaten in Heiveld (Belgien) bei ihrem dritten ITF-Turnierstart ein erstes Finale erreicht, der erste Titel glückte der Oberösterreicherin aber „erst“ im März 2005, mit 14 Jahren und knapp zehn Monaten. Hofmanova hatte genauso im März 2005 mit 14 Jahren und eineinhalb Monaten in Sidi Fredj (Algerien) den ersten ITF-Turniersieg verzeichnet. Im Jänner 2010 hatte sich Haas beim Heimevent in Salzburg-Bergheim mit 13 Jahren und knappen zehn Monaten ihren ersten ITF-Siegespokal geholt – und hiermit rund eineinhalb Monate jünger als Pircher, die am 4. Mai den 14. Geburtstag begeht. Gar bei ihrem erst zweiten ITF-Turnierantritt war Grabher im Februar 2010 in Nairobi (Kenia) mit 13 Jahren und siebeneinhalb Monaten ins erste Finale eingezogen – bis zum ersten Titel brauchte es dafür noch zweieinhalb weitere Jahre. Im April 2010 siegte schließlich Heil in Marsa (Malta) mit 14 Jahren und neuneinhalb Monaten.
„Ich habe gesagt: ‚Das Turnier gewinnen wir’“
Ungeachtet des Seltenheitswerts von solch frühen Erfolgen stellte der Coup von Pircher in Wien für König keine Überraschung dar. Zumal sein Schützling, auch auf zwei gesetzt, zum Kreis der Turnierfavoritinnen zählte. „Ganz ehrlich – und das soll nicht überheblich klingen: Ich bin mit ihr hingefahren und habe gesagt, ‚Das Turnier gewinnen wir!’“, so die durchaus selbstbewusste Einstellung. Was König so sicher machte? „Anna ist für sowas vorbereitet. Ich trainiere mit ihr, seit sie viereinhalb Jahre alt ist. Seit zwei Jahren steht sie auch bei mir und meinem Partner Wolfgang Mangold unter Vertrag. Bei ihr ist es das Positive, dass sie von Kind an eine irrsinnige Matchhärte hat – die bringt sie fast immer auf den Punkt. Sie hat ja schon vor drei Jahren begonnen, Damen-Bundesliga zu spielen und hat in der Zeit bloß ein Match verloren. Sie hat früh gelernt, mit ihren Möglichkeiten ihr Maximum herauszuholen.“ Das Geheimnis dazu heißt harte Arbeit: „Anna macht auch sehr viel im Bereich Athletik. Man sieht natürlich im Vergleich zu ihrer Finalgegnerin, die gut zwei Jahre älter und athletisch sehr gut ist, dass diese körperlich bereits mehr Frau ist und mehr Reserven hat. Aber das kompensiert Anna seit Jahren irrsinnig gut, weil sie wahnsinnig gut antizipiert, aus der Defensive heraus gut arbeitet, es gut umsetzt, dass sie nicht nur hineinspielt und gut kontert, sondern auch selbst offensiv wird. Sie ist eine komplette Spielerin. Ich habe immer wahnsinnig viel Wert drauf gelegt – ob Slice, Stopp oder Aufschlag –, dass sie in ihren Schlägen alle Variationen mitbringt.“
König und achtköpfiges Team hinter Erfolg
Hinter der so vielversprechenden, jungen Karriere von Pircher steckt mittlerweile neben König gar ein achtköpfiges, hochprofessionell arbeitendes Team – mit seinem gleichfalls im Management tätigen Geschäftspartner Mangold, den Athletiktrainern Georg Hamerle und Christopher Schröck (dem Trainer von Norwegens Skistar Aleksander Aamodt Kilde), Physiotherapeut Gernot Landerer, Mentalcoach Armin Reindl, der Yogatrainerin Karoline Geiger und den beiden Sparringpartnern und Assistenztrainern Daniel Zimmermann und Christian Köhle. Hiermit sieht sich Pircher für bevorstehende Einsätze bei höherwertigen ITF-Jugendturnieren als in Wien ebenfalls gerüstet: „Sie steigert sich mit ihrer Gegnerin. Ich fürchte mich dann vor niemandem“, stellte König klar. Das große Team schlägt sich indes freilich mit einer erforderlichen Investitionssumme im sechsstelligen Bereich pro Jahr nieder. Kosten, die in erster Linie König, Mangold und Freunde stemmen. „Es steckt Risikokapital und ein bisschen Arbeit dahinter. Aber Anna rechtfertigt diesen Aufwand.“