ATP Madrid: Trotz knappem Aus – Thiem meldet sich in der Weltspitze zurück
Nach längerer Zeit hat Dominic Thiem den österreichischen Tennisfans wieder mal einen hochspannenden TV-Abend bei einem internationalen Topturnier gegen einen absoluten Weltklassespieler beschert. Trotz einer hauchdünnen Niederlage hat sich der 29-Jährige bei den Mutua Madrid Open nach seiner rund neunmonatigen Verletzungspause von Juni 2021 bis März 2022 eindrucksvoll wieder in der Weltspitze zurückgemeldet. Nach einer über weite Strecken sehr starken Leistung musste sich der Niederösterreicher (ATP 93), der eine Wildcard des Veranstalters für den Hauptbewerb erhalten hatte, in der zweiten Runde des ATP-Masters-1000-Sandplatzturniers dem viertgesetzten Griechen Stefanos Tsitsipas (ATP 5) erst nach rund 2:19-stündigem Kampf mit 6:3, 1:6, 6:7 (5) geschlagen geben. Dennoch nimmt Thiem aus der spanischen Hauptstadt die erfreuliche Erkenntnis mit, wieder mit derartigen Kalibern der Profitour voll und ganz mithalten zu können, und zudem auch 25 ATP-Punkte für die Weltrangliste, in der sich hiermit allerdings vorläufig keine weitere Verbesserung ausgeht. Ein deutlicher Sprung vorwärts scheint für den Ex-Weltranglistendritten mit solchen Vorstellungen aber nur eine Frage der Zeit zu sein.
Negativserie gegen Top-Ten-Spieler dennoch beendet
Thiem hatte nach den Nitto ATP Finals in London im November 2020 in acht Vergleichen mit aktuellen Top-Ten-Spielern keinen einzigen Satz mehr gewonnen gehabt. Doch diese wenig erstrebenswerte Serie ging an diesem späten Samstagabend im Manolo Santana Stadium im Caja Mágica von Madrid immerhin zu Ende. Der US-Open-Champion von 2020 hatte zuletzt in Runde zwei in Monte-Carlo gegen Holger Vitus Nodskov Rune (ATP 9) und im München-Viertelfinale gegen Taylor Fritz (ATP 10) zwei weitere Duelle mit derzeitigen Top-Ten-Akteuren in zwei Sätzen verloren, die dritte derartige Standortbestimmung der letzten Wochen offenbarte nun jedoch, dass der Lichtenwörther seinem Toplevel wieder bedeutend nähergerückt ist. Thiem startete auch sogleich exzellent ins neunte Duell mit Tsitsipas, in das er mit einer positiven 5:3-Bilanz gegangen war: Dank eines Breaks zum 3:1, das er nach der Abwehr von drei Breakchancen zum 4:1 bestätigen konnte, sicherte er sich in weiterer Folge den ersten Satz. Im zweiten Durchgang steigerte sich Tsitsipas aber deutlich und entschied diesen durch Breaks zum 2:0 und 5:1 klar für sich.
Aufbauende Worte von Tsitsipas und Alaba an Thiem
Zugleich begann Tsitsipas mit einer schier unglaublichen, rekordverdächtigen Serie von 39 ersten Aufschlägen in Folge im Feld, mehr als eine Stunde kam der zweifache Grand-Slam-Finalist ohne zweiten Aufschlag aus. Das erschwerte es Thiem freilich zusätzlich. Dieser zeigte sich jedoch im entscheidenden dritten Satz wieder deutlich verbessert und hielt diesen, mit viel Kampfgeist, bis zum letzten Punkt offen. Bei 1:1 konnte er die lange Zeit einzige Breakmöglichkeit zunichtemachen, bei 5:5 in einem packenden Game sogar fünf weitere Breakbälle. Im Tiebreak sah es für den 17-fachen ATP-Titelträger zunächst schon gut aus: Nach einem Doppelfehler von Tsitsipas beim zweiten Punkt führte Thiem mit 2:0 und 3:1. Doch er vermochte nicht nachzulegen, verlor vier Punkte am Stück zum 3:5, wehrte bei 4:6 einen ersten Matchball gegen sich noch bärenstark ab – den zweiten allerdings nicht mehr. Nach erbitterter Gegenwehr musste er Tsitsipas schließlich doch zum Sieg gratulieren. Dieser spendete ihm beim Handshake sehr aufbauende Worte: „Du hast es immer noch drauf. Mach weiter so! Du schaffst es“, soll ihm der Grieche laut ATP zugeflüstert haben. Auch der ÖFB-Fußballstar in Diensten von Real Madrid, David Alaba, der Thiem zuletzt beim Training auf der Anlage besucht hatte, meldete sich auf Twitter mit aufmunternden Worten: „Was fürn Fight. Dein Spiel heute war ein Statement.“
„Die Niederlage ist sehr, sehr bitter, aber …“
Für Thiem galt es nach dem Match zwar die Enttäuschung über das hauchdünne Aus zu verdauen, dennoch überwogen die positiven Erkenntnisse: „Die Niederlage ist sehr, sehr bitter – wie ein 6:7 im Dritten immer sehr bitter ist. Aber es gibt sehr, sehr viele positive Sachen an dem Match“, bemerkte der Neo-Schützling von Benjamin Ebrahimzadeh. „Der erste Satz war richtig gut, sicherlich mein mit Abstand bestes Tennis seit langem. Dann habe ich ein bisschen die Intensität verloren. Ich habe auch schon seit ewiger Zeit nicht mehr mit solch einer Intensität gespielt – vielleicht habe ich es deshalb nicht das ganze Match durchhalten können. Und ein Spieler mit der Klasse von Tsitsipas nützt das sofort aus, und dann kommt so ein Ergebnis wie im zweiten Satz zustande. Im dritten Satz war es wieder viel, viel besser. Er hat es mir auch nicht leicht gemacht. Ich habe gesehen, er hat über eine Stunde keinen einzigen ersten Aufschlag verschlagen, was die Sache sehr, sehr schwierig gemacht hat.“ Thiem resümierte insgesamt allerdings nicht unzufrieden: „Da waren Details, die ich nicht so gut gemacht habe, aber generell bin ich glücklich mit vielen Sachen, die ich gemacht habe, mit der Intensität, mit jener ich gespielt habe, wie meine Grundschläge waren.“
Motivationsschub für die nächsten Wochen Richtung French Open
Die Niederlage gegen Tsitsipas reihte Thiem dennoch in jene ein, die einen frischen Wind entfachen und einen größeren Motivationsschub mitgeben: „Einerseits ist die Niederlage sehr, sehr bitter, andererseits bin ich nun extrem motiviert, so weiterzuarbeiten, weil die Fortschritte sehr deutlich zu sehen waren. Ich habe die Früchte der letzten drei Wochen gesehen, in die ich sehr viel an Arbeit reingesteckt habe. Ich bin sehr, sehr glücklich, wie ich in der Lage war, fast das ganze Match über dagegenzuhalten.“ Und das nicht gerade gegen irgendwen, sondern mit Tsitsipas gegen einen seit vielen Jahren Weltklassemann, der wie Thiem auch bei den French Open schon im Finale gestanden war, im Jahre 2021: „Er ist ein unglaublicher Spieler. Wir hatten einen sehr guten Plan, wie ich das angehen muss. Im ersten Satz habe ich den perfekt umgesetzt.“ Nur drei Punkte trennten ihn so letztlich vor dem Tiebreak und in der Kurzentscheidung vom Überraschungssieg. „In den letzten drei Wochen ist es eigentlich jede Woche bergauf gegangen. In Monte-Carlo war der Beginn, München war schon um einiges besser, speziell heute hat man dann wirklich die ersten Früchte der Zusammenarbeit gesehen, was auch extrem motivierend ist. Wir sehen es, glaube ich, auch jeden Tag im Training, wie viel weitergeht“, bezog er sich auf seinen neuen Coach Ebrahimzadeh. Der Blick geht nun allmählich Richtung French Open, mit jetzt weit besserem Gefühl: „Es sind noch drei Wochen bis Paris. Das Ziel ist für uns, so weiterzuarbeiten, so alles weiter zu verbessern, wie ich dies die letzten drei Wochen gemacht habe, und dann bin ich zuversichtlich, dass ich in Paris gut drauf bin.“
Frühes Aus für Erler/Miedler im Doppel
Das Millionenturnier in Madrid geht nunmehr ohne rot-weiß-rote Beteiligung weiter. Denn nebst Thiem im Einzel erwischte es am Samstag auch Alexander Erler und Lucas Miedler im Doppel. Österreichs Davis-Cup-Duo war verspätet angereist und als Alternates doch noch ins Feld nachgerückt. Der Tiroler (ATP-Doppel 36) und der Niederösterreicher (ATP-Doppel 38) mussten sich aber gleich in der ersten Runde den heurigen Australian-Open-Finalisten Hugo Nys (ATP-Doppel 26) aus Monaco und Jan Zielinski (ATP-Doppel 17) aus Polen mit 1:6, 4:6 geschlagen geben. Erler/Miedler, die erst letzten Sonntag in München ihren vierten ATP-Doppeltitel geholt hatten, konnten sich in der Partie dieses Mal keinen Breakball erarbeiten und gingen bei ihrem zweiten gemeinsamen Auftritt bei einem ATP-Masters-1000-Turnier nach knapp 59 Minuten Spielzeit als Verlierer vom Platz.
Hier alle Ergebnisse des ATP-Masters-1000-Turniers in Madrid.