ATP Estoril: Thiem dreht Stallduell gegen Ofner, Rodionov überrascht
Im letzten Jahr hatte das beschwerlich verlaufende Comeback von Dominic Thiem nach langer Verletzungspause erst mit einem Sieg im Österreicher-Duell mit Filip Misolic beim ATP-Challenger in Salzburg allmählich Fahrt aufgenommen. Geschieht heuer Ähnliches? Zumindest ist dem 29-Jährigen bei den Millennium Estoril Open am Dienstag am späten Nachmittag in einem rein rot-weiß-roten Vergleichskampf sein erst zweiter Saisonerfolg gelungen. Der Niederösterreicher (ATP 111) setzte sich nämlich in der ersten Runde des ATP-250-Sandplatzturniers in einem Stallduell mit Sebastian Ofner (ATP 122), der in der ATC-Akademie von Thiem-Vater Wolfgang trainiert, nach Satzrückstand mit 3:6, 6:3, 6:4 durch. Damit wehrte er zugleich zumindest vorerst den Angriff des formstarken Steirers, der heuer bereits drei ATP-Challenger-Finals erreicht hat, auf die Nummer-eins-Position in Österreich ab. Auf diese besitzt Jurij Rodionov in dieser Woche ebenso noch Chancen. Der Niederösterreicher (ATP 120) müsste hierfür mindestens das Viertelfinale erreichen. Den ersten Schritt in diese Richtung hat er am Dienstabend inzwischen gesetzt: Der 23-Jährige eliminierte in Runde eins in einem Linkshänderduell den routinierten, spanischen Sandplatzspezialisten Albert Ramos-Vinolas (ATP 52) überraschend mit 3:6, 6:1, 6:4 und steht damit ebenfalls im Achtelfinale.
Thiem: „Es war natürlich alles andere als einfach“
Thiem hatte die zwei bisherigen Vergleiche mit Ofner auf der ATP World Tour jeweils bei den Generali Open Kitzbühel 2019 (6:3, 6:2) und 2022 (6:2, 3:6, 6:3) für sich entschieden. Und auch beim dritten Aufeinandertreffen behielt er in Portugal nun die Oberhand, wenn auch wieder erst nach Kampf und einem kapitalen Fehlstart. Der Lichtenwörther musste sogleich sein erstes Aufschlagspiel zum 0:2 abgeben, vergab drei Chancen aufs Rebreak und geriet darauf gar 1:5 in Rückstand. Die dann gestartete Aufholjagd brachte ihm vier Breakbälle, um auch das zweite Break noch zum 4:5 aufzuholen, kam letztlich aber doch zu spät. Als Thiem den zweiten Satz ebenfalls mit einem Serviceverlust zum 0:1 begann, schien ihm das Match schnell davonzulaufen, es war jedoch vielmehr der Startschuss zu einer markanten Leistungssteigerung des Ex-Weltranglistendritten. Bei 4:1 fand der 17-fache ATP-Titelträger schon die Chance zum Doppelbreak vor – und musste gegen Ende doch wieder zittern, als er erst nach der Abwehr zweier Breakgelegenheiten den dritten Satzball zum Satzausgleich verwerten konnte.
Im entscheidenden dritten Abschnitt stürmte Thiem dann rasch auf 3:0 mit Doppelbreak davon. Ein Break konnte Ofner zwar umgehend wieder wettmachen, doch das zweite bis zum Schluss nicht mehr. „Es war natürlich alles andere als einfach, weil ‚Ofi’ und ich uns in- und auswendig kennen und wir über die letzten Jahre auch Freunde geworden sind – das ist nie einfach. Aber ich habe von Anfang an ein ganz gutes Gefühl gehabt, vor allem wie schnell meine Schläge waren und was sie auch angerichtet haben“, befand Thiem in einer ersten Stellungnahme nach seinem Sieg. „Aber im ersten Satz habe ich einfach zu viele Fehler gemacht, diese sind dann in Satz zwei und drei weniger geworden. Für mich ist das ein wichtiger und schöner Sieg, auch natürlich, weil ‚Ofi’ die letzten Wochen sehr, sehr gut gespielt hat und in Form ist.“ Auch für das Selbstvertrauen sei der Coup freilich wichtig gewesen: „Jeder Sieg bringt was, zurzeit überhaupt. Es war ein kleiner Schritt in die richtige Richtung – natürlich einerseits der Sieg, andererseits auch wie ich gespielt habe.“ Neben dem erfreulichen Speed seiner Grundschläge sei „auch der Aufschlag echt in Ordnung“ gewesen.
Thiem will „Erfahrung auf Sand ausspielen“, Rodionov stolz über Sieg
Im Achtelfinale bekommt es Thiem nun erstmals mit dem US-Jungstar Ben Shelton (ATP 39) zu tun, der an acht gesetzt ist und per Wildcard am Start ist. „Ich freue mich darauf. Er ist eines der ganz großen Nachwuchstalente“, befand Thiem, „wobei man das eh fast nicht mehr sagen kann, weil er eh schon um Rang 30 oder 40 steht, sicher ein Kandidat für die Top Ten ist. Ich habe gelesen, dass er das erste Mal in Europa ist, das heißt auch das erste Mal auf Sand. Da werde ich versuchen, meine Erfahrung auf Sand ein bisschen auszuspielen.“ Erfahrungen auf Sand hatte Rodionov indes in dieser Saison bislang noch nicht gesammelt. Nach zuletzt sehr starken Auftritten auf Hartplatz in der Halle, mit der erfolgreichen Titelverteidigung in Biel und dem Semifinale bei einem weiteren ATP-100-Challenger in Lille, gelang ihm aber der nahtlose Übergang zur Sandplatz-Freiluftsaison erstaunlich gut – mit seinem fünften Einzug in ein Achtelfinale auf der ATP-Tour. Dabei stand ihm mit Ramos-Vinolas die frühere Nummer 17 der Weltrangliste, ein viermaliger ATP-Titelträger und der Sieger des Turniers in Estoril 2021 gegenüber.
Rodionov musste zwar, wegen gleich vier nach Gewinnchancen noch verlorenen Spielen, den Verlust des ersten Satzes verschmerzen. Doch darauf gab das ÖTV-Ass klar den Ton an, zog im zweiten Durchgang gleich auf 5:0 davon und schaffte im Entscheidungssatz ein frühzeitiges Break zum 2:1. Einzig bei 3:2 musste er noch eine Breakmöglichkeit von Ramos-Vinolas zunichtemachen, brachte den Sieg letztlich aber recht sicher in trockene Tücher. „Dass ich als einer der Letzten ins Feld gekommen bin, das hat mich schon echt happy gemacht. Aber dann auch noch die 1. Runde zu gewinnen, und zwar gegen keinen Unbekannten – das macht mich stolz“, freute sich Rodionov darauf auf seiner offiziellen facebook-Fanseite. „Daran sehe ich, dass es eben doch geht.“ Auf den österreichischen Davis-Cup-Spieler wartet in der zweiten Runde hiermit der sechstgesetzte Serbe Miomir Kecmanovic (ATP 40). Gegen diesen hat er bisher eine 0:1-Bilanz, von einer 6:2,-3:6,-3:6-Niederlage im Achtelfinale des ATP-Challengers in Zhangjiagang (China). Die Begegnung fand allerdings vor knapp fünf Jahren im September 2018 statt und sollte deshalb nicht mehr allzu viel Aussagekraft besitzen. Sowohl Thiem als auch Rodionov bestreiten erst am Donnerstag ihre Achtelfinalpartien.